Sebastian Kneipp, der Wasserdoktor

Wasser = Leben = Heilung

Sebastian Kneipp ist allgemein als Erfinder der Kaltwassertherapie bekannt - der er aber eigentlich nicht ist, er hat diesem Zweig der Naturheilkunde nur entscheidend bei Entwicklung und Durchsetzung geholfen.

Viel zu wenig bekannt ist dagegen die persönliche Entwicklung dieses intelligenten und beharrlichen Vorreiters - die nachfolgend vorgestellt wird, weil sie sowohl unternehmens- und lebenslustigen jungen Menschen als auch Patienten auf dem Weg zur selbstbestimmten Heilung noch heute als Vorbild dienen kann:

Sebastian Kneipp: Unbedingter Wille zur Entwicklung

Sebastian Anton Kneipp wurde am 17. Mai 1821 als fünftes Kind einer armen oberschwäbischen Weber-Familie geboren. Der kleine Sebastian besuchte zunächst die Dorfschule im heimatlichen Stephansried (das heute Teil der Gemeinde Ottobeuren ist), musste aber nach der Schule am Webstuhl oder als Hirte des Gemeinde-Viehs zum Unterhalt der Familie beitragen.

Offensichtlich war bei Kneipp jedoch Intelligenz und ein Wille zum Aufstieg vorhanden, die sich gegen alle Widerstände Bahn brachen: Nach der Volksschule im Heimatdorf besuchte Kneipp 6 Jahre die Sonn- und Feiertagsschule im benachbarten Ottobeuren, durch seine zahlreichen Jobs (wie man heute sagen würde) konnte er sich neben dieser höheren Schulausbildung ein ansehnliches Startkapital von 70 Gulden (ein viertel Jahresgehalt eines Knechts) erarbeiten.

Diese Ersparnisse gingen verloren, als Kneipp Elternhaus abbrannte; Kneipp verließ daraufhin sein Heimatdorf und nahm eine Stelle als Knecht in nahegelegene Grönenbach an (heute Kneippkurort Bad Grönenbach). Dort fand er Unterstützung und ältere Förderer:

Ein weitläufig mit der Familie Kneipp verwandter Kaplan bereitete ihn mit Lateinunterricht auf das Gymnasium vor; der durch seine Verdienste bei der Erforschung der heimischen Pflanzenwelt bis heute berühmte Botaniker Christoph Ludwig Köberlin (der damals der Ortspfarrer von Grönenbach war), führte Kneipp in das damals umfassende Wissen zur Pflanzenheilkunde ein.

Mit dieser Unterstützung konnte sich der Sohn aus dem armen Weber-Haushalt tatsächlich zur höheren Bildung hocharbeiten: 1844 wurde Kneipp in die die königliche Studienanstalt der gut 100 km nördlich gelegenen Kreisstadt Dillingen aufgenommen. 1848 - mit 28 Jahren - konnte er an der theologisch geprägten Universität Dillingen (zu Kneipps Zeiten "Dillinger Lyzeum", ab 1923 Philosophisch-Theologische Hochschule Dillingen, 1971 als Katholisch-Theologische Fakultät in die neue Uni Augsburg eingegliedert) ein Studium der Theologie beginnen.

Entkundung der naturheilkundlichen Grundideen

Sebastian Kneipp war bereits in einem frühen Stadium seines "Wegs zum Wissen" mit der (Pflanzen-) Heilkunde seiner Zeit in Berührung gekommen und sollte die Spur der natürlichen Heilkunde konsequent weiter verfolgen. Dazu gab sein Befinden auch einen ganz konkreten Anlass: Bereits aus dem Jahr 1846 (als sich Kneipp noch in der Studienanstalt Dillingen auf das Studium vorbereitete) sind Anzeichen überliefert, dass Kneipp an einer Lungenerkrankung litt, bei der es sich höchstwahrscheinlich um Tuberkulose handelte.

Die akademische Medizin der damaligen Zeit hatte solchen Lungenleiden wenig entgegenzusetzen; noch in Thomas Manns "Zauberberg", dem knapp 100 Jahre später erschienen Klassiker der deutschen Hoch-Literatur, wird die damals übliche Behandlung mit Ruhe in reiner Hochgebirgsluft (Luftkur) beschrieben. Diese Behandlung konnte die Lungenkrankheiten nur selten heilen, sie verlängerte oft nur de Leidenszeit - darauf hatte Kneipp , der sich seinen bisherigen Bildungsweg hart erkämpft hatte, wenig Lust, und die Kurbehandlungen in den mondänen Berg-Kurorten standen ohnehin nur den reichsten Mitgliedern der damaligen Gesellschaft offen.

Kneipp wählte deshalb einen anderen Weg: Er badete 1848 jeden zweiten bis dritten Tag kurz in der eiskalten Donau und ergänzte diese "Immuntherapie" mit häuslichen Halbbädern und Wassergüssen. Seinen Angaben, dadurch gesundet zu sein, darf man wohl Glauben schenken, weil Kneipp sonst bestimmt nicht in der Lage gewesen wäre, 49 weitere Jahre angestrengt und engagiert zu wirken.

Doch auch wenn Kneipp sicher zu den unabhängigen Denkern mit ausgeprägten avantgardistischen Tendenzen gezählt werden kann (heute würde er wohl "hip" genannt werden), wurden die Ideen zu diesen Wasserbehandlungen keineswegs von ihm selbst entwickelt. Die Medizin war vielmehr auch damals eine Disziplin der höchst lebendigen Entwicklung, in der gesellschaftlich anerkannte Behandlungsformen auch von Gegnern und Zweiflern weiterentwickelt und umgeformt wurden.

So hatte sich in Kneipp Jugendzeit eine große naturheilkundliche Bewegung als Alternative zur arrivierten Medizin entwickelt, deren bis heute verwendeter Name Naturheilkunde erstmals in der 3. Auflage des 1839 erschienenes Werk "Das kalte Wasser als vorzügliches Beförderungsmittel der Gesundheit und ausgezeichnetes Heilmittel in Krankheiten" erwähnt wurde. Kneipp hatte seine Behandlungsanweisungen aus einem anderen Werk zur Heilung mit Wasser, die neben zweckmäßige Ernährung, Bewegung, Luft, Licht und Wärme damals wie heute eine der tragenden Säulen der klassischen Naturheilkunde bildet.

Aufstieg und Nachwirkung

Der innovative Denker Kneipp legte jedoch in seinem Lebenswerk die entscheidenden Grundlagen dafür, dass dieser Zweig der Naturheilkunde bis heute eine besonders prominente Stellung einnimmt.

1850 setzte er sein Theologiestudium am Georgianum fort, wo er zugleich erstmals tuberkulosekranke Kommilitonen mit Wasseranwendungen behandelte. 1852 wurde Kneipp im Augsburger Dom zum Priester geweiht, bis 1855 hatte er drei Kaplanstellen rund um Augsburg hinter sich, viele weitere Bücher über Wasseranwendungen gelesen, Kontakt mit dem Verein der Wasserfreunde und bekannten Wasserheilern seiner Zeit aufgebaut.

Kneipp erhielt in den Folgejahren immer wieder Anzeigen wegen seiner therapeutischen Tätigkeit, stellte dabei aber auch seinen Richtern Kuranweisungen gegen ihre Beschwerden aus. Während der 1854er Choleraepidemie im süddeutschen Raum behandelte er Kranke gegen eine gerichtliche Unterlassungserklärung und soll so über 40 Menschen das Leben gerettet haben.

Als Kneipp 1855 Hausgeistlicher des Wörishofener Dominikanerinnen-Klosters wurde, übte er von dort aus seine Heilkunst aus, die in den folgenden Jahren immer mehr Heilsuchende auch aus wohlhabenderen Kreisen nach Wörishofen führte. Der bis dahin inoffizielle und von schulmedizinischer Seite immer wieder angefeindete Kurbetrieb entwickelte sich unter Kneipp unaufhaltsam, unter ständigem Ausbau der örtlichen Badehäuser und der Bewirtungs- und Beherbungsmöglichkeiten in Wörishofen und Umland, bis 1889 dem regulären Kurbetrieb unter der Leitung Kneipps freie Bahn gegeben wurde (das Prädikat "Bad" erhielt Wörishofen erst 1920).

Während dieser Zeit hatte Kneipp die Landwirtschaft des Klosters ausgebaut und auch gleich ein Buch über und für Landwirtschaft geschrieben, die Erstbeschreibung einer frühen schlesischen Wasserkur zum eigenen Basis-Werk "Meine Wasser-Kur" überarbeitet, ein über Wasserheilung hinausgehendes Gesundheitsbuch mit dem Titel "So sollt ihr leben" verfasst und die ersten Nachfolger angelernt.

Ab 1890 hielt Kneipp täglich öffentliche Gesundheitsvorträge, im gleichen Jahr wurde der erste Kneipp-Verein (mit Kneipp als Ehrenpräsident) gegründet und die erste Ausgabe der monatlichen "Kneippblätter" aufgelegt (erscheinen noch heute monatlich, unter dem Titel Kneipp-Journal).

In den nächsten Jahren richtete Kneipp eine karitative Abteilung zur Behandlung mittelloser Kranker ein, bereiste fast ganz Europa zur Verbreitung seiner Ideen, wurde 1893 von Papst Leo XIII. zum Päpstlichen Geheimkämmerer ernannt und behandelte den Papst auch. Weitere Ehrungen, aber auch Anfeindungen bis zur Brandstiftung folgten - als Kneipp 1897 im Alter von 76 Jahren starb, hatte er jedoch ein fest gegründetes Netz der Wasserheilung aufgebaut, das bis heute in 78 Kneippkurorten, 600 Kneippvereinen mit rund 160.000 Mitgliedern und Millionen ständig neu aufgelegter Bücher höchst präsent ist.

Kneipp hat die täglichen Wasseranwendungen bis ins hohe Alter beibehalten. Inzwischen wurden sie vielfach wissenschaftlich untersucht und anhand neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse weiterentwickelt, und es scheint so, als wenn die Ideen dieses frühen Evidenz-Mediziners (der zugleich ein wahrhaft mündiger Patient war) aktuell mehr Menschen interessieren als jemals zuvor. (su)

Kommentare (0):

Es sind noch keine Einträge vorhanden, schreiben Sie jetzt den ersten Kommentar!
Seite:

neuen Kommentar verfassen:

Name: *

E-Mail: (kein Pflichtfeld)

Kommentar: *

Spamschutz: *
Wieviel ist zwei plus acht?
(Das Ergebnis bitte als Zahl eingeben)

Eintragen!

* Pflichtfelder Wenn Sie Ihre E-Mail Adresse nicht veröffentlichen möchten, lassen Sie das Feld einfach leer!

Nutzungsbedingungen der Kommentarfunktion
Die Kommentarfunktion gibt Ihnen die Möglichkeit, Ihre Meinung zu einem Artikel zu schreiben - unmittelbar und ohne vorherige Registrierung. Bitte halten Sie Ihren Kommentar sachlich und fair. stadtgui.de übernimmt keine Verantwortung für den Inhalt der Beiträge und behält sich vor, beleidigende, rechtswidrige oder nachweislich unwahre Beiträge zu löschen. Sollte ein Kommentar aus Ihrer Sicht gegen diese Regeln verstoßen können Sie diesen unter mail(at)stadtgui.de melden.