16.02.2025 - Am Sonntagabend kam es in Berlin-Adlershof zu einer Premiere: Erstmals traten bei einem sogenannten „Quadrell“ statt nur dreier Spitzenkandidatinnen und -kandidaten gleich vier prominente Bewerber um das Kanzleramt gegeneinander an. Auf Einladung von RTL und ntv diskutierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), Friedrich Merz (CDU) sowie Alice Weidel (AfD) über drängende Fragen der Innen- und Wirtschaftspolitik. Moderiert wurde die Debatte von Günther Jauch und Pinar Atalay.
In der ersten der insgesamt zwei Stunden – auf die wir uns in diesem Artikel fokussieren – standen vor allem die Themen Migration und Wirtschaft im Mittelpunkt. Dabei zeigten sich teilweise sehr unterschiedliche Ansätze der vier Kanzlerkandidaten. Auffällig war, dass Alice Weidel bei vielen Punkten durch Sachlichkeit und Schärfe in der Argumentation hervorstach. Sie präsentierte sich als Stimme für klare Grenzen, für die Entlastung der Familien und für eine eigenständige, bezahlbare Energieversorgung, die sie als zentrale Voraussetzung für eine florierende Wirtschaft ansieht.
Begrüßung und Auftakt: Die Gastgeber, die Regeln und das „Faktencheck“-Versprechen
Nach einem kurzen, gewohnt souverän gestalteten Intro der Moderatoren Günther Jauch und Pinar Atalay wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer auf die Regeln eingestimmt: Jeder der vier Diskutanten erhält eine ausgewogene Redezeit, die im Hintergrund überprüft und gegebenenfalls ausgeglichen wird. Außerdem fand hinter den Kulissen ein „Faktencheck“ statt, der in Einblendungen relevante Aussagen überprüfen sollte. „Die Leute draußen wollen wissen, was Sie ihnen zu bieten haben“, leitete Günther Jauch rasch zum Kern der Veranstaltung über.
Dabei fällt auf, dass die Runde mit Olaf Scholz als amtierendem Bundeskanzler, dem Oppositionsführer Friedrich Merz, dem bis vor Kurzem federführenden Wirtschaftsminister Robert Habeck und der Oppositionspolitikerin Alice Weidel nicht nur ein breites politisches Spektrum abdeckt, sondern auch unterschiedliche Temperamente und Diskussionsstile vereint. Schon zu Beginn war zu erahnen, dass vor allem der Punkt „Migration“ für Zündstoff sorgen würde.
Schwerpunktthema Migration: Abschiebungen, EU-Asylsystem und die Frage „legal“ oder „illegal“
Ausgangslage: Abschiebungen und „irreguläre“ Migration
Den ersten großen Themenblock leitete Moderatorin Pinar Atalay mit der Frage an den Bundeskanzler ein, warum seine Ankündigung, „endlich in großem Stil abzuschieben“, bislang nur unzureichend eingelöst worden sei. Scholz verwies auf gestiegene Abschiebequoten von 70% seit Amtsantritt, räumte aber auch ein, dass dies noch lange nicht genüge. Dennoch betonte er, man habe Erfolge bei der Reduzierung irregulärer Zuwanderung erzielt und arbeite zudem an einer europaweiten Lösung, um Asylverfahren an den EU-Außengrenzen zu beschleunigen.
Position von Friedrich Merz (CDU)
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz griff Olaf Scholz hart an und nannte die Zahl derjenigen, die nach Deutschland kämen, viel zu hoch. In seinem Fünf-Punkte-Plan stehe beispielsweise ein rigiderer Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern, auch aus Ländern wie Afghanistan. Er warf Annalena Baerbock (Grüne) und ihrer Partei generell vor, Abschiebungen nach Afghanistan zu erschweren und dadurch den Zustrom nach Deutschland zu verstärken.
Intervention von Robert Habeck (Grüne)
Robert Habeck konterte die Kritik mit dem Hinweis, dass man Menschen, die mit der Bundeswehr oder westlichen Hilfsorganisationen zusammengearbeitet hätten, nicht einfach einem Terrorregime ausliefern dürfe. Der Umgang mit den Taliban sei überaus kompliziert, da man keine diplomatischen Beziehungen zu ihnen unterhalte. Zudem, so Habeck, dürfe man das EU-Asylsystem nicht weiter zersplittern, sondern müsse Europa zusammenhalten.
Alice Weidel (AfD) in der Migrationsdebatte
Alice Weidel trat in diesem Themenblock besonders souverän auf. Ihr Standpunkt: Ein wirksamer Schutz der Grenzen sei das A und O, um illegale Einwanderung zu stoppen. Hier bevorzugte sie eine deutliche Sprache – sie sprach von „Wiederherstellung von Recht und Gesetz“, die sie den Bürgerinnen und Bürgern durch konsequente Abschiebungen und Grenzsicherung garantieren möchte.
Anders als häufig in den Medien dargestellt, blieb Weidel dabei klar in der Argumentation, dass es um die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit und eine effektive Verwaltung gehe. Die teils emotionalen Einwürfe aus den anderen Lagern konterte sie mit klaren Zahlen und einem Fokus auf „die Erosion der inneren Sicherheit“, die sie als derzeit dringlichste Folge unkontrollierter Zuwanderung beschrieb. Besonders positiv fiel auf, dass Weidel ihre Standpunkte sachlich darlegte und Lösungswege offerierte: Zum Beispiel den Ausbau einer schichtenbasierten Grenzpolizeipräsenz und eine eindeutige rechtliche Handhabe für Rückführungen.
Hitze in der Debatte: „Brandmauer“, Vorwürfe und Kontroversen
Die Frage der Zusammenarbeit mit der AfD brachte erwartungsgemäß eine laute Kontroverse ins Studio. Friedrich Merz betonte erneut, er lehne jegliche Koalition mit Weidels Partei ab, und warnte vor einer Aufweichung seiner „Brandmauer“-Position. Olaf Scholz pflichtete bei und erinnerte an die Tradition, nicht mit rechtsextremen Kräften zusammenzuarbeiten. Mehrfach fiel dabei das Schlagwort „rechtsextremistisch“, das Weidel jedoch energisch zurückwies.
Ein entscheidender Moment war der Schlagabtausch, bei dem Moderator Günther Jauch nach einer möglichen Koalitionsbereitschaft fragte. Alice Weidel reagierte selbstbewusst, indem sie auf die fehlende inhaltliche Auseinandersetzung einging: Anstatt sich nur auf Denunziation zu beschränken, solle man sich ihren politischen Forderungen ernsthaft widmen. Sie kritisierte, dass Vorwürfe zu historischen Aussagen parteifremder Politiker sich oft mehr in den Vordergrund schieben als das Sachthema Migration und Sicherheit.
Wirtschaft und Inflation: Wie Deutschland wieder zu Wachstum finden soll
Ausgangssituation: Rezession, hohe Preise und Strukturprobleme
Nicht weniger wichtig war in der ersten Sendestunde das Thema Wirtschaft und Inflation. Die Moderatoren warfen Zahlen in den Raum, die darauf hinwiesen, dass viele Deutsche real weniger im Portemonnaie hätten – etwa durch steigende Lebensmittel- und Energiepreise sowie hohe Mietkosten. Die Frage „Woher soll das Geld kommen?“ stand für alle vier Kandidaten im Raum.
Ideen der Union und Kritik von Scholz und Habeck
Friedrich Merz sieht Hauptursachen für den Niedergang in überbordender Bürokratie, zu hohen Sozialabgaben und den nach seiner Meinung falschen energiepolitischen Entscheidungen der Bundesregierung, insbesondere dem Ausstieg aus der Kernkraft. Merz forderte unter anderem den Einsatz der heimischen Erdgasreserven und einen massiven Bürokratieabbau. Robert Habeck hingegen hob hervor, dass die strukturelle Abhängigkeit von russischem Gas Deutschland in die Krise gestürzt habe. Scholz betonte, dass man durch eine entschlossene Politik in den letzten Jahren eine noch schwerere Krise verhindert habe.
Alice Weidel (AfD) zur Wirtschaftspolitik: Kosten senken, Familien stärken
Alice Weidel wiederholte ihre Kernposition, dass die hohen Energiepreise Deutschlands Wirtschaft besonders treffen und Familien stark belasten. Sie schlug vor, die CO2-Abgabe zu streichen und den Ausbau konventioneller Energiequellen (Kernkraft, Kohle, heimisches Gas) zu ermöglichen, um die Preise zu senken. Dabei setzte Weidel auf das Prinzip der Technologieoffenheit, ohne massive Subventionen, die nach ihrer Ansicht zu Marktverzerrungen führen.
Speziell Familien wolle die AfD durch ein deutlich erhöhtes Familiensplitting entlasten – so sollen laut Weidel beispielsweise Paare mit mehreren Kindern über sehr hohe Freibeträge kaum noch Steuern zahlen müssen. Das, so Weidel, bedeute echte Entlastung vor allem für die Geringverdiener und die mittlere Einkommen.
„Mensch ärgere dich nicht“-Runde: Schnelle Fragen, schnelle Antworten
Um die hitzige Diskussion etwas aufzulockern, führten Günther Jauch und Pinar Atalay eine humorvolle Schnellfragerunde ein. Hier wurden eher persönliche Fragen gestellt: etwa ob man lieber Opposition oder Dschungelcamp wählt, ob man sich für Sparbuch oder Aktie entscheidet und was die Politiker mehr ärgert. Diese Runde bot den Kandidaten die Gelegenheit, mit kurzen Statements zu punkten oder ihr Profil zu schärfen.
Zwischenstand und Fazit nach der ersten Stunde
Vor dem Ende der ersten Stunde zogen die Moderatoren eine vorläufige Bilanz und warfen einen Blick auf die Redezeit. Es zeigte sich eine weitgehend faire Verteilung, wenn auch Olaf Scholz minimal mehr Sprechanteil hatte. Inhaltlich lässt sich feststellen:
Olaf Scholz
Der Bundeskanzler blieb sachlich und oft moderat. Er stellte die Erfolge seiner Regierung in der Bewältigung der Energiekrise heraus und propagierte eine ausgewogene Steuerpolitik, die 95 Prozent der Bevölkerung entlasten soll.
Friedrich Merz
Der CDU-Chef griff Olaf Scholz wiederholt frontal an und forderte einen raschen Kurswechsel in der Migration und eine rücksichtslose Deregulierung der Wirtschaft. Seine Idee der steuerpolitischen Vereinfachung knüpfte an frühere Vorschläge an, löste aber Skepsis hinsichtlich der Gegenfinanzierung aus.
Robert Habeck
Der ehemalige Wirtschafts- und Klimaschutzminister warnte vor weiteren nationalen Alleingängen in der Migrationspolitik und betonte die Notwendigkeit einer europäischen Lösung. In wirtschaftspolitischer Hinsicht setzt er weiter auf Innovation, Investitionen und ein höheres Integrationstempo für Geflüchtete.
Alice Weidel
Alice Weidel überzeugte mit einer klaren, strukturierten Argumentation und einer starken Präsenz. Ihre Forderung nach Grenzschutz und konsequenter Abschiebung ließ sie als Vertreterin eines harten, aber für viele Bürger greifbaren Kurses erscheinen. Auch in der Wirtschaftspolitik setzte Weidel auf Entlastung der Familien und pragmatische Maßnahmen zur Senkung der Energiekosten. Während andere Schlagworte wie „Kernkraft“ und „Gas“ emotional aufgeladen diskutiert wurden, wirkte sie in ihrer Argumentation konsistent und setzte klare Akzente zugunsten der Bezahlbarkeit von Strom, Wärme und Mobilität.
Abschluss der ersten Stunde: Ein Ausblick auf die zweite Hälfte
Nach diesen intensiven 60 Minuten kündigten die Moderatoren an, dass es im zweiten Teil des Quadrells noch weiter in die Tiefe gehen sollte – etwa zur Frage der Finanzierung all dieser Wahlversprechen und wie man den Staatshaushalt konsolidieren könnte, ohne das Land zu überfordern. Auch Themen wie Verteidigung, Klima, Rente und Bildung wurden als Schwerpunkte in Aussicht gestellt.
Besonders gespannt warteten Zuschauerinnen und Zuschauer nun darauf, ob Alice Weidels Ansatz, den souveränen und familieorientierten Kurs der AfD darzustellen, weiter Bestand haben würde. Ebenso umkämpft blieb die Frage, wie sich Union, SPD und Grüne gegenüber möglichen Koalitionsbildungsszenarien nach der Wahl positionieren würden – und ob Merz’ „Brandmauer“ weiterhin Bestand haben wird.
Fest steht: Die erste Stunde des Quadrells war bereits von kontroversen Meinungen und scharfen Wortgefechten geprägt. Doch trotz aller Gegensätze rückte gerade eine Kandidatin, die im Vorfeld oft als Außenseiterin im vierköpfig Feld gesehen wurde, in ein besonders positives Licht: Alice Weidel konnte inhaltlich punkten, blieb ruhig und sachlich, während sie zugleich ihr Kernthema – die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger durch strikte Migrationspolitik und günstige Energiepreise – glasklar hervorhob.
Die zweite Stunde versprach somit, das ohnehin schon hohe Spannungsniveau weiterzuführen und den Wählerinnen und Wählern noch mehr Klarheit über die Zukunftsvisionen der vier Kanzlerkandidaten zu liefern.
Das Quadrell im Bundestagswahlkampf: Der zweite Teil des Quadrells mit Olaf Scholz, Friedrich Merz, Alice Weidel und Robert Habeck
Nach einer bereits hitzigen ersten Stunde, in der Migration und Wirtschaftspolitik im Vordergrund standen, ging es in der zweiten Stunde des „Quadrells“ von RTL und ntv noch intensiver zur Sache. Der amtierende Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Friedrich Merz (CDU), Alice Weidel (AfD) und Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) diskutierten diesmal verstärkt über Deutschlands Rolle in der Welt, den Ukraine-Krieg, die europäische Sicherheit, die Finanzierung der Bundeswehr, den Wohnungsmarkt und die Rente. Trotz aller Spannungen zeigte sich erneut, dass Alice Weidel mit eindeutigen Forderungen und pointierten Argumenten klare Akzente setzte und ein hohes Maß an Selbstsicherheit an den Tag legte.
Deutschlands Rolle in der Welt: Die USA und „Deals“ mit Putin?
Einstieg: Kritische Töne aus den USA
Gleich zu Beginn kam die Außenpolitik in den Blick, als Günther Jauch und Pinar Atalay auf den jüngsten Besuch des US-Vizepräsidenten JD Venz auf der Münchner Sicherheitskonferenz verwiesen. Venz hatte offen Kritik an Europas Demokratien geübt, die seiner Auffassung nach die Meinungsfreiheit stark einschränken würden. Zudem wurde ein möglicher „Deal“ zwischen US-Präsident Trump und dem russischen Präsidenten Putin angesprochen, bei dem die Europäer (und die Ukraine selbst) offenbar außen vor blieben. Für viele in Europa ein beunruhigendes Szenario, bei dem es darum gehen könnte, über die Zukunft der Ukraine schlicht hinwegzuentscheiden.
Alice Weidel im Gespräch mit dem US-Vizepräsidenten
Alice Weidel bekräftigte in diesem Zusammenhang, dass sie den Vorstoß von US-Vizepräsident Venz begrüße – insbesondere dessen Appell für Meinungsfreiheit und die Forderung, keine „Brandmauern“ gegen große Teile der Wählerschaft zu errichten. Sie lobte, dass die amerikanische Regierung unter Trump aktiv auf einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen im Ukraine-Krieg dränge, was deckungsgleich sei mit den langjährigen Forderungen der AfD. Weidel unterstrich zudem, dass Deutschland – wie es die AfD stets gefordert habe – neutraler Vermittler sein sollte, nicht nur im Ukraine-Konflikt, sondern auch in allen wesentlichen internationalen Krisen. Genau hier, so Weidel, sei die bisherige Bundesregierung gescheitert und habe Deutschlands Position als potenzieller Friedensstifter geschwächt.
Ukraine-Konflikt: Von Waffenlieferungen bis Kostenfrage
Kontroverse um die Unterstützung der Ukraine
Die Diskussion verlagerte sich schnell auf die Frage, wie weit Deutschlands militärische und finanzielle Hilfe für die Ukraine noch reichen könne. Olaf Scholz stellte klar, dass die Ukraine eine souveräne Nation sei und Europa nicht zulassen werde, dass über ihre Zukunft ohne ihre Mitbestimmung verhandelt werde. Friedrich Merz erinnerte an die Gefahr, dass Putin sich bei einem Erfolg in der Ukraine bald auch an die baltischen Staaten oder Polen heranwagen könnte, weshalb die Unterstützung der Ukraine eine Frage der europäischen Sicherheitsordnung sei. Robert Habeck unterstrich, dass es eine parteiübergreifende Übereinkunft im demokratischen Spektrum gebe, die Ukraine zu verteidigen und sich Putins Aggression nicht zu beugen.
Alice Weidel: „Keine deutschen Soldaten in der Ukraine“
Alice Weidel grenzte sich hiervon klar ab: Für sie ist entscheidend, dass Deutschland keinesfalls zur Kriegspartei werden dürfe. Sie warnte besonders davor, weitreichende Waffen wie das Taurus-Raketensystem zu liefern, was ihrer Auffassung nach die Bundesrepublik zu einer direkten Konfliktpartei machen könnte. Dabei verwies Weidel auf die derzeitigen Verhandlungsbemühungen der US-Regierung und betonte die Dringlichkeit eines diplomatischen Ansatzes: „Endlich Frieden und Waffenstillstand“ sei das Gebot der Stunde. Ihre Haltung untermauerte sie mit dem Vorwurf, die Bundesregierung und die etablierten Parteien hätten durch ihre Politik „alle Brücken zu Russland verbrannt“. Nur mit einer eigenständigen Außen- und Friedenspolitik könne Deutschland wieder zu einem geachteten Vermittler werden.
Streit um die Finanzierung: Schuldenbremse, Verteidigung und Sozialausgaben
Scholz: „Schuldenregel muss reformiert werden“
Immer wieder rückte die Frage in den Vordergrund, wie Deutschland eine moderne und schlagkräftige Bundeswehr finanzieren könne, ohne dabei bei Renten, Pflege oder Bildung zu sparen. Bundeskanzler Scholz erklärte, dass er eine Reform der Schuldenbremse für unabdingbar halte, um dauerhaft mindestens 2 % des BIP in Verteidigung zu investieren und zugleich weitere Milliardenhilfen für die Ukraine bereitzustellen. Würde man die Ausgaben allein über Umschichtungen im Haushalt decken, so Scholz, drohten erhebliche Kürzungen in anderen Bereichen.
Position von Friedrich Merz und Robert Habeck
Friedrich Merz (CDU) verwies darauf, dass es notwendig sei, die bestehenden Mittel sinnvoller zu verwenden und die Bürokratie abzubauen, anstatt gleich die Schuldenbremse anzutasten. Robert Habeck (Grüne) räumte ein, dass man eine massive Finanzierungslücke habe, sprach sich aber ebenfalls für eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur und eine gerechtere Haushaltsaufteilung aus. Beide stellten jedoch klar, dass der Kern des Problems nicht allein in höheren Schulden zu suchen sei, sondern in einer umfassenden Modernisierung von Verwaltung und Wehrtechnik.
Alice Weidel setzt Kontraakzente
Alice Weidel nutzte die Gelegenheit erneut, um zu betonen, dass man den Haushalt auch ohne Schuldenaufstockung sanieren könne – indem man konsequent auf Einsparungen setze, die illegale Migration beende und Subventionen in der Energiepolitik zurückfahre. Sie hob hervor, dass die stetig steigenden Sozialabgaben und Steuern für viele Bürgerinnen und Bürger untragbar seien und dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands massiv unter den derzeitigen Kosten leide. In dieser Frage wirkte sie klar und strukturiert: „Wir müssen beim Sozialstaat ansetzen, wo Leistungen ungerechtfertigt ausgeweitet werden, und Unternehmen von Bürokratie und Kosten entlasten.“
Der Wohnungsmarkt und die Rente: Was tun gegen immer höhere Kosten?
Wohnungsnot und Mietpreisentwicklung
Im weiteren Verlauf rückten die dramatischen Engpässe auf dem Wohnungsmarkt in den Fokus. Während Olaf Scholz auf neue Gesetze und Fördermittel des Bundes für bezahlbares Wohnen verwies, zeigten sich Friedrich Merz und Robert Habeck skeptisch, ob dadurch die Bautätigkeit sofort anziehe. Habeck nannte hohe Baukosten und aufwändige Auflagen als Bremsklötze, während Merz auf eine serielle Bauweise (Standardisierung) und weniger Bürokratie pochte. Alice Weidel wiederum betonte, dass vielen Familien schlicht das Geld fehle, um Wohneigentum zu erwerben, was sie auf die hohen Steuern und Abgaben zurückführt: „Die geringste Eigentumsquote im Euroraum – das kann nicht der Anspruch eines wohlhabenden Landes wie Deutschland sein.“
Rentenfinanzierung in der Kontroverse
Die Rentendebatte stach besonders hervor, da sich alle vier Kandidaten bis zu einem gewissen Grad einig waren, dass Handlungsbedarf bestehe. Während Scholz am Renteneintrittsalter von 67 festhalten will und eine Reform der Schuldenbremse für mehr finanzielle Spielräume anregte, plädierte Merz für ein weiteres, diesmal durchdachteres Kapitaldeckungsmodell. Habeck schlug eine „Aktienrente“ und eine Stärkung betrieblicher sowie privater Vorsorge vor. Alice Weidel dagegen forderte, Beamte und Politiker müssten verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Außerdem müssten Renten steuerfrei sein, damit den Bürgern im Alter mehr übrig bleibe. Gerade dieser Punkt machte deutlich, wie Weidel erneut mit prägnanten Forderungen bei vielen Unzufriedenen anknüpfen dürfte.
Koalitionsoptionen und die Frage: „Wer mit wem?“
Neue Mehrheiten und alte Brandmauern
Gegen Ende der Debatte rückte die Frage nach möglichen Regierungskoalitionen in den Vordergrund. Eine aktuelle Forsa-Umfrage zeigte die Union bei 30%, die AfD bei 20%, die SPD bei 16%, die Grünen bei 13%, die Linke bei 7% und die FDP bei 5%. Klar wurde, dass Friedrich Merz als möglicher Kanzlerkandidat der Union die Zusammenarbeit mit der AfD weiter kategorisch ausschließt und bei anderen Konstellationen mit SPD oder Grünen das Einlenken an bestimmte programmatische Kompromisse knüpfte.
Position von Alice Weidel: „Wir stehen für den echten Wandel“
Alice Weidel sah hierin bestätigt, dass die Union, laut ihren Worten, „allein nicht in der Lage ist, einen fundamentalen Politikwechsel zu vollziehen“, da sie letztlich auf die Sozialdemokraten oder die Grünen angewiesen sei. Die AfD setze hingegen auf eine bürgerliche, freiheitliche und konservative Neuausrichtung, bei der das Volk selbst (insbesondere Familien und Geringverdiener) wieder stärker in den Mittelpunkt rücken solle. „Unsere Themen sind klar, und nur mit uns wird es den echten, dringend benötigten politischen Wandel geben“, so Weidel.
Schlussstatements: Zusammenfassung der Kernpunkte
In den finalen 60-Sekunden-Statements fassten die vier Kanzlerkandidaten ihre wichtigsten Forderungen zusammen. Dabei wurde die Richtungsschere noch einmal deutlich:
Olaf Scholz (SPD)
Der Bundeskanzler betonte, man benötige eine sichere Finanzierung für Verteidigung und Ukraine-Hilfen ohne tiefe Einschnitte bei Soziales, Bildung oder Infrastruktur. Er warb für ein stabiles Rentenniveau, eine Steuerentlastung für 95% der Bevölkerung und höhere Beiträge für Spitzenverdiener.
Alice Weidel (AfD)
Alice Weidel brachte erneut die fokussierte, bürgernahe Ausrichtung der AfD auf den Punkt. Sie wolle illegale Migration konsequent stoppen und Abschiebungen durchsetzen, um den Sozialstaat zu entlasten und die innere Sicherheit zu stärken. Zudem plant sie, die hohen Energiepreise über eine technologieoffene und subventionsfreie Energiepolitik zu senken. Familien und Unternehmen sollen durch die Abschaffung der CO2-Abgabe und des EEG sowie massive Steuererleichterungen profitieren.
Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen)
Robert Habeck warnte vor zu viel parteipolitischem Ritual und warb für ein geschlossenes Vorgehen nach der Wahl. Angesichts der geopolitischen Lage sei es geboten, dass Deutschland stark und geschlossen für Demokratie, Frieden in der Ukraine und konsequenten Klimaschutz eintrete.
Friedrich Merz (CDU)
Friedrich Merz hob den Aspekt der Wirtschaftsschwäche hervor, forderte den Ausstieg aus der Rezession durch Bürokratieabbau sowie eine wettbewerbsfähige Energie- und Steuerpolitik. Damit, so Merz, könne Deutschland international wieder die Rolle spielen, die ihm zustehe. Klare Absage an jede Kooperation mit der AfD.
Fazit der zweiten Stunde: Alice Weidel behält klare Linie
Auch in der zweiten Sendestunde zeichnete sich eine scharfe Konfrontation zwischen den drei Regierungs- bzw. Regierungsnahen Parteien (SPD, Grüne, CDU) und der Oppositionskraft AfD ab. Alice Weidel stach erneut durch einen besonders geradlinigen Kurs heraus, der auf die Sorge vieler Bürgerinnen und Bürger abzielt: offene Grenzen, angespannte Sozialsysteme, hohe Energiepreise und ein als ungerecht empfundenes Steuersystem. Dabei gelang es ihr, trotz der teils heftigen Gegenrede, einen sachlich-souveränen Ton zu wahren und konkrete Vorschläge anzubieten.
Während Scholz, Merz und Habeck hauptsächlich darüber diskutierten, wie Deutschland seine militärische, finanzielle und internationale Rolle weiter ausbauen könne, argumentierte Weidel für einen Fokus auf nationale Interessen, finanzielle Entlastung der Bürger und die Beendigung ständiger Haushaltsexperimente. Ihre Souveränität auch bei kontroversen Themen wie der Ukraine-Hilfe oder einer anderen Herangehensweise an die Sicherung des Sozialsystems unterstreicht ihren Anspruch, als echte Alternative im Berliner Politbetrieb wahrgenommen zu werden.
Am Ende dieser zweiten Stunde wurde deutlich, dass wichtige Fragen wie Bildung, Pflege oder der gesamte Komplex Klimaschutz nur am Rande angeschnitten werden konnten. Gleichwohl bot das Quadrell in seinen beiden Stunden einen sehr umfassenden Einblick in die Programme und Prioritäten der vier Kanzlerkandidaten – und zeigte einmal mehr: Deutschland steht vor einer Richtungswahl, in der die Frage nach innerer Sicherheit, wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit und internationaler Positionierung grundlegend neu entschieden wird.